Das Schmittie in Zeiten von Corona
Ein Bericht aus dem Haus nach sieben Monaten Pandemie
2020 – was für ein Jahr. Wer von uns hätte gedacht, dass sich unser aller Leben innerhalb weniger Wochen um 180 Grad dreht und uns für Monate und wer weiß wie lange noch eine neue Realität erwartet. Seit dem Corona-Pandemie-Ausbruch, der schließlich auch vor Deutschland nicht Halt machte, hat sich für uns alle einiges geändert. Und bevor wir euch davon erzählen möchten, wie es uns so geht, wollen wir euch und Ihnen allen ein gutes Durchstehen dieser Zeit wünschen. Wir hoffen, dass es euch und Ihnen allen den Umständen entsprechend gut geht und dass ihr und eure Lieben gesund seid und es auch bleibt.
In dieser Zeit ist es schwer zu begreifen, dass auch viele Werte und Momente, die das Schmittie ausmachen – zum Beispiel, dass ihr alle zu Vorträgen, oder eben zu einem Ehemaligentreffen vorbeikommen könnt, dass man zusammensitzt, sich austauscht und diskutiert und später in entspannter Runde auch mal ein Kölsch zusammen trinkt – gerade in der Form nicht möglich sind. Aber gerade deshalb, weil auch uns dieser Austausch mit euch fehlt, freuen wir uns, wenn ihr zumindest digital bei unseren Vorträgen vorbeischaut, mal mitkommentiert und mitdiskutiert. Wenn ihr Lust auf ein kleines Zoom-Treffen habt, auch um einfach mal zu Quatschen oder etwas zu spielen, sagt Bescheid! Wir sind mittlerweile auch beinahe Profis darin und freuen uns riesig, ein paar Gesichter und Stimmen wiederzusehen und zu hören, wie es euch geht.
In den letzten Monaten wurden wir von unseren Freund*innen außerhalb des Hauses öfter gefragt: „Wie handhabt ihr das eigentlich, mit 24 Menschen und Herr und Frau Hiertz während dieser Zeit?“. Das Schmittie ist schließlich unser Zuhause und trotzdem birgt es natürlich Risiken, je mehr Menschen an einem Ort sind und einige auch zwischen verschiedenen Orten wechseln müssen.
Drei unserer Schmitties übernahmen, als die Corona-Lage sich in Deutschland und Köln zuspitzte, umgehend wichtige Arbeit im Gesundheitswesen. Lea und Lukas im Gesundheitsamt (einige von euch haben Lea ja auch im Fernsehn gesehen, weil sie des Öfteren Pressetermine wahrnehmen musste), Max Herrmann an der Uniklinik. Die ganze Hausgemeinschaft ist stolz und dankbar, weil sie so einen wichtigen Beitrag leisten, das System am Laufen zu halten und wahrscheinlich jeder und jedem von uns schon dreißig Fragen beantwortet haben, wenn wir uns unsicher waren, eine Situation auf Corona bezogen einzuschätzen. Auch einige andere Schmitties arbeiteten unter großen Schutzmaßnahmen während der Frühjahrs-Pandemiewelle weiter, während andere wiederum keine Möglichkeit hatten, ihrer Arbeit oder ihrem Ehrenamt nachzugehen.
Doch alle Schmitties versuchten (und versuchen), die Anzahl ihrer Kontaktpersonen außerhalb des Hauses so gering wie möglich zu halten. Was nicht immer leicht war, führte jedoch auch zu vielen schönen Momenten innerhalb des Schmitties. Dadurch, dass viele kaum noch richtig „rausgehen“ konnten, entstanden innerhalb unserer Vier-Wände und in unserem Garten sowie auf dem Balkon viele kreative Ideen. Spätestens als deutlich wurde, dass das nächste Semester auch nicht in Universitätsgebäude stattfinden würde, ging im Haus, typisch Schmittie, eine Welle an Ideen los, wie wir dieses Semester innerhalb des Schmitties schön gestalten und uns gegenseitig dabei unterstützen können, dass es uns in dieser Zeit gut geht.
Die Semesterferien waren geprägt von gemeinsamen Jam-Sessions (wir haben Klavier, Trompete, Saxophon, Ukulele, Melodica, Mandoline, Mundarmonika, Cello, Querflöte, Gitarre, Gesang und kleine Trommelinstrumente oder Rasseln für Menschen wie mich 😉). Max bot uns tägliches Yoga an, es wurde Brot gebacken und im Garten gelernt. Unser neuer Schmitte Paul rief Pen-und-Paper-Spiele ins Leben. Der Garten wurde bei gutem Wetter zur „GaBi“ (Garten-Bibliothek). Auch so ein Ostern habe ich in meinen vier Schmittiejahren nicht erlebt. Da es für uns ein zu großes Risiko war, in Heimatstädte oder zu Freunden zu fahren, verbrachten wir fast alle Ostern gemeinsam, frühstückten zusammen in der Bibliothek und spielten im Garten – wie eine große Schmittiefamilie eben. Wir sind unglaublich dankbar und wissen, was für ein Glück wir haben, in dieser Situation der sozialen Isolation eben durch unseren eigenen Haushalt nicht allein sein zu müssen. Ich konnte das Schmittie nach vier Jahren noch einmal neu zu schätzen lernen. Auch jedes Pläuschchen auf Abstand mit Herrn Hiertz im Garten oder Frau Hiertz im Treppenhaus machte noch einmal deutlich, in welcher glücklichen Situation wir sind, dass wir Menschen, fast wie von allein, um uns herum haben.
Dennoch waren nicht alle Entscheidungen einfach, man wusste nicht in jeder Situation, wie man diese handhaben soll und sich mit 23 Mitbewohner*innen abzustimmen, ist eben auch Arbeit und Bedarf Kontroversen und Diskussionen. Wie handhaben wir das Semesterprogramm? Sollten wir im Haus Masken tragen? Wie ist das mit Gästen im Haus?
Wie wir alle wissen, lebt das Schmittie von solchen Diskussionen. Der Schmittierat berief deshalb regelmäßige „Corona-Sitzungen“ ein (an denen man sich natürlich auch mit seinem Laptop zuschalten konnte). Und natürlich wurden auch unsere Hausversammlungen dafür genutzt, zu reden, zu streiten und am Ende gemeinsame Lösungen zu finden.
Im Sommer atmeten wir, wie auch viele andere in unserem Umfeld, einmal kurz durch. Die Lage hatte sich scheinbar vorerst entspannt und auch für uns war es wieder einfacher. Alte Schmitties kamen zu Besuch, wir genossen die Sonne auf dem Grünstreifen gegenüber und in unserer Bibliothek fand sogar das Vereins-Treffen statt. Die Leichtigkeit der Sommermonate ließ vielen von uns Energie tanken für die Wintermonate.
Dass die Vorträge des neuen Semesters wahrscheinlich auch online stattfinden mussten, darauf haben sich viele von uns bereits eingestellt. Doch die Hoffnung blieb noch, dass wir zumindest unsere Semesterfahrt nach Leipzig machen könnten, da sich die Lage zwischenzeitlich so entspannt hatte und viele von uns, nachdem sie im Sommer auch nur in Köln geblieben waren, sich nach einem Jahr endlich wieder auf eine Schmittiefahrt gefreut hätten. Doch der Oktober und das Virus machten uns einen Strich durch die Rechnung. Steigende Fallzahlen und auch, dass Lea und Max im Gesundheitsamt und Uniklinkum wieder unglaublich viel Arbeit hatten, waren erste Indizien darauf, dass wir uns tatsächlich auf eine zweite Pandemiewelle und neue Maßnahmen gefasst machen mussten. Schließlich waren wir uns einig, dass, obwohl die diskutierten Beherbergungsverbote wieder aufgehoben wurden, es keine verantwortliche Idee wäre, mit 15 Menschen nach Leipzig zu fahren. Wir blieben zu Hause und stattdessen machten wir „Schmittiefahrt im Schmittie“, guckten Dokus über Leipzig, bestellten libanesisches Essen und machten in Kleingruppen Ralleys durch die Südstadt.
Am Montag nach unserem gemeinsamen Wochenende, dem 26.Oktober, trat schließlich jedoch ein, womit wir die letzten Monate fast alle rechnen mussten. Denn natürlich ist das Risiko bei 24+2 Menschen, mal in Quarantäne zu kommen, sehr hoch und der Preis dafür, dass wir sonst eben so ein Glück haben, weniger sozial isoliert zu sein. Wir erfuhren, dass eine*r von uns leider positiv auf das Coronavirus getestet wurde – 22 von uns waren Kontaktpersonen und mussten umgehend in Quarantäne – und, da das Risiko bestünde, das wir uns untereinander auch weiter anstecken würden, sollte sich jede*r auf ihrem und seinem Schmittiezimmer isolieren, wir untereinander auch keinen direkten Kontakt haben. Als dies klar wurde, beriefen wir direkt einen Zoom-Videocall ein und ich bin bis heute sehr dankbar für den Zusammenhalt, die Unterstützung und Solidarität untereinander, die an diesem Tag und in den folgenden 12 Tagen so sichtbar wurde. Wir öffneten einen 24/7 Zoom-Call, in den man sich einschalten konnte, um weniger allein zu sein, gemeinsam das Frühstück zu sich zu nehmen, abends Skribblio zu spielen oder sogar SchmittieRatssitzungen online abzuhalten. Es gründeten sich umgehend mindestens dreißig Whatsapp-Gruppen 😉 zum Minecraft-Spielen, Sportinspiration (Home-Workouts) finden und Organisieren von Essen.
Im Haus herrschte nun natürlich überall und jederzeit Maskenpflicht, man kündigte sich in einem eigens dafür erstellten Chat an, wenn man aus seinem Zimmer ging, um keinem anderen Schmittie zu begegnen. Wir richteten einen digitalen Kalender für unsere Küche ein, in dem sich die Menschen einen „Küchenslot“ buchten, wenn sie für ihr Stockwerk 1kg Nudeln kochen wollten. Sogar Frau Hiertz war nun offiziell in unserer Schmittie-WhatsApp-Gruppe, damit wir auch mit ihr wichtige Angelegenheiten absprechen konnten.
Unsere „Schmittie-Gesundheitsministerin“ Lea hielt, als Nicht-Kontaktperson, die Stellung im Gesundheitsamt und unterstützte uns, indem sie geduldig die dreihundertste Frage klärte. Max wurde unser „(Dr)Außenminister“, da er noch zur Uniklink zum Arbeiten durfte. Ich denke ich spreche für die gesamte Hausgemeinschaft, wenn ich sage, dass wir uns so unglaublich gut betreut und sicher gefühlt haben – Danke euch beiden für eure Geduld, euren Einsatz, eure beruhigenden Worte!
Die Zoom-Calls und der Schmittie-Garten, in dem man mal mit ganz viel Abstand und Maske frische Luft schnappen und die Gesichter seiner Mitbewohner*innen in echt sehen konnte, trugen viele von uns durch diese zwei Wochen. Und die Mahlzeiten – ich könnte immer noch von dem Essen der letzten zwei Wochen schwärmen, weil so viele Schmitties solidarisch für ihr Stockwerk gekocht haben (und das zugegebenermaßen sehr viel besser als die Uni-Mensa war!).
An Halloween verkleideten sich einige von uns in ihrem Zimmer und wir starteten eine Zoom-Halloween-Party. Ebenfalls online fand auch unsere erste digitale Hausversammlung statt, bei der alle so diskussions- und abstimmungsfreudig waren, als würden wir in unserer Bibliothek zusammensitzen. Nun ist die Online-Uni auch wieder losgegangen, die Quarantäne vorbei, dennoch haben wir alle auch vieles aus der Quarantäne lernen und mitnehmen können. Wir versuchen es möglich zu machen, dass Schmitties sich innerhalb des Hauses trotzdem isolieren können (um nicht noch einmal in Kontaktperson-Quarantäne zu müssen), haben gelernt, wie viel digital funktioniert, wie dankbar wir für unseren Garten sind. Und vor allem halten wir noch viel stärker zusammen (auch, wenn man Abstand halten muss 😉).
Danke an Herrn und Frau Hiertz, ihre Geduld, ihr Verständnis und aufmunternde Gespräche; danke Lea und Max für eure Unterstützung, danke Lukas und dem SchmittieRat und jedem Einzelnen, dass ihr diese verrückte Zeit so viel schöner macht.
Liebe Ehemalige, bis hoffentlich ganz bald, gesund und munter bei uns im Schmittie!
Viele Grüße aus dem gelben Haus am Sachsenring,
Eure Schmitties